Amoklauf von Winnenden

[20.Juli]

Also kontrolliert wurde dort schon öfters, nur war es so, dass man nicht sehr genau hinsah. Der könnte 16/18 sein? Ok, wird schon so sein, da kontroll ich nicht".

[Sk8er_Girl]

jedesmal "der massenmörder aus winnenden vom 11.03.09" zu schreiben, ist ja auch bisschen aufwendig...

ja, das stimmt wohl
Ich hab ja immer Amokläufer hier geschrieben, das triffts halt einfach, solang der Kontext klar ist
Ansonsten nennt man von Verbrechern ja oft den Nachnamen....

[Juli]

Zugegeben - ich hab nicht alle eure Beiträge gelesen, deswegen sorry, wenn ich Dinge vielleicht wiederhole oder sonstigen Müll rede, aber ich will trotzdem noch ein bisschen was dazu sagen.


Ich bin ja in Fellbach in der Schule, was nicht wirklich weit von Winnenden weg ist. Wir haben an dem Tag Klausur geschrieben und danach (gegen 9) ist ein Mitschüler (D.) gegangen, weil's ihm nicht gut ging und er zu Arzt wollte. Ungefähr eine Stunde später dann hat er einen anderen Mitschüler (B.) angerufen. D. wollte ja zum Arzt, der in Korb ist, ist da aber nicht hingekommen, weil zu dem Zeitpunkt schon die Straßen gesperrt waren. Im Radio hat er dann von dem Amoklauf gehört. Nun ist es so, dass B.s Mutter Lehrerin an dem Gymnasium ist, das direkt neben der Albertville-Realschule liegt. Als B. dann uns das alles erzählt hatte, hat er seine Mutter angerufen, die zu dem Zeitpunkt noch mit 30 Schülern im Klassenzimmer verbarrikatiert war, aber der es zumindest gut ging. Am nächsten Tag hat er uns dann noch erzählt, dass sie auch noch gesehen hat, wie dieser Tim K. draußen dann rumgelaufen ist und um sich geschossen hat. Nur begriffen hat sie es nicht, hat es für Gymnastik gehalten, wie die Leute im Park plötzlich alle ihre Hände hochgerissen haben... Ich selbst hatte meiner Mutter eine SMS geschrieben, dass sie sich keine Sorgen um mich machen muss, falls sie davon schon mitbekommen hat - sie hat dann geantwortet, dass sie es entsetzlich findet, was passiert ist, sich aber um mich nicht gesorgt hat, weil sie weiß, dass wir alle einen Schutzengel haben...
Naja, das war dann jedenfalls mitten in Physik, so dass wir da dann erst noch mal geredet haben. Dann kam auch unsere Schulleiterin, die mit der Polizei telefoniert hatte (wo natürlich die Hölle los war, weil alle Schulleitungen in der Polizeidirektion in Waiblingen angerufen hatten, und das sind im Rems-Murr-Kreis immerhin 180 Schulen), und sie fragte, wie lange wir Schule haben (hatten wir bis 15.50, da war dann letztendlich ja eh schon alles vorbei), und dass sie bisher allen, die in Richtung Waiblingen/Korb/Winnenden müssen, rät, erstmal in der Schule zu bleiben. Das sind bei mir in der Klasse schon einige... Die Straßen waren ja eh gesperrt, also wäre man mit dem Auto ohnehin nicht richtig durchgekommen.
Wir haben uns dann unterdessen mit der Außenwelt verständigt und waren so auf dem aktuellen Stand immer. Später erzählte uns unsere Klassenlehrerin, dass die B1er (also der Jahrgang über uns) auch per Handy im Internet sind, und der Täter wohl in der S-Bahn nach Stuttgart unterwegs ist - und wenn dem so wäre, müsste er notgedrungen auch in Fellbach vorbei. Es lief dann also darauf hinaus, dass am besten alle Schüler so lange in der Schule bleiben sollten, bis "Entwarnung" gegeben wurde. Die Sache mit der S-Bahn hat sich dann ja als Falschmeldung rausgestellt, aber was passiert nicht alles in so einer Situation...
Naja. Unsere Schulleitung kam später dann nochmal, als alles vorbei war und hat also sozusagen "Entwarnung" gegeben. Aber mit einem mulmigen Gefühl bin ich trotzdem nach Hause gegangen...

Am nächsten Tag haben wir dann ausführlich darüber geredet in diversen Fächern (ich weiß nicht, ob es Pflicht war oder von den Lehrern selbst ausging, ich vermute aber eher letzteres), und es wurde uns dann auch immer wieder gesagt, dass wir mit jedem Problem zu ihnen kommen können. Unsere Klassenlehrerin sagte auch, dass sie das zuerst gar nicht begriffen hat alles, aber erst, als sie dann selbst mit der S-Bahn auf dem Heimweg war und am Fellbacher Bahnhof zig Polizisten mit schusssicheren Westen rumstanden, ist ihr das erst bewusst geworden, wie nah das alles eigentlich alles war... Und sie hat sich auch Sorgen um uns gemacht und sich gefragt, ob sie wirklich alles für uns tut und ob sie für die, die schon gegangen sind, genug getan hat. Das fand und finde ich wirklich total positiv, dass sie sich so um uns sorgt. Die Schweigeminute vor zwei Wochen fiel direkt in die Physik-Arbeit, aber wir haben "trotzdem" alle unsere Stifte weggelegt, und das fand ich gut.

Naja, letztendlich ist heute eh schon wieder alles vergessen - abgesehen von den Diskussionen über Waffen, über vernachlässigte Kinder, über arbeitende Eltern und über den Unterschied zwischen Deutschland und Griechenland, die wir ständig noch in Deutsch/WiSo haben, die mich ermüden und die nie aufhören werden... Gerade schauen wir "Bowling for Columbine"...

Ich muss sagen, dass es mich selbst auch erst viel später wirklich berührt hat als direkt in dem Moment, wo wir das erfahren haben und wo wir wussten, dass das im Endeffekt nur wenige Kilometer von uns weg passiert. Aber als ich dann daheim war und der erste Sender, den ich drinhatte, NBC war, und selbst dort darüber berichtet wurde, war mir bewusst, was da eigentlich gerade passiert ist... Aber jetzt ist es auch schon mehr oder weniger "vergessen" - nur, wenn wir auf der Autobahn an Wendlingen vorbeikommen, rückt es wieder nach vorne...

[Juli]

Heute ist das ganze auch schon wieder ein Jahr her... Unglaublich wie die Zeit vergeht...

[ChristinDoro]

Ohja!
Und passend zu diesem Tag hat unsre Schule Amoklauf-Ankündigungen bekommen.Ich wünsche das echt NIEMANDEM so eine Situation erleben zu müssen.

[23zwerge]

- Schusswaffen: ich muss gestehen, ich hab von Waffen wenig bis keinerlei Ahnung (und ich gestehe, dass ich nicht mal weiß, worin sich großkalibrige von kleinkalibrigen Waffen unterscheiden); allerdings find ich am Schießsport an sich nichts Verwerfliches, zumindest nichts Verwerflicheres als etwa am Ringen oder am Boxen ..... abgesehen davon (gerade was die Altersgrenze angeht): ist es erwiesen, dass Sportschützen einen höheren Hang zur Gewaltbereitschaft haben als etwa Fußballer oder Leichtathleten oder Poolbillardspieler? wenn es so einen Beweis gibt bzw wenn es möglich ist, ihn zu erbringen, dann kann man über so eine Regelung nachdenken; ansonsten find ich es verfehlt, eine ganze Sportart unter Generalverdacht zu stellen (Tim war übrigens meines Wissens gar kein Sportschütze, sondern Tischtennisspieler; warum hat trotzdem bis jetzt niemand ein Tischtennisspieler-Mindestalter von 21 Jahren gefordert?)

Sportschütze war er nicht wirklich. Er war seit Jahren Mitglied des örtlichen Schützenverein, aber nicht wirklich aktiv.
2008 und 2009 war er einige Male zusammen mit seinem Vater am Schießstand und hat dort mit einer Baretta geschossen.
Im Haus befanden sich, anders als häufig in den Medien geschrieben, 24 Waffen. Diese waren in verschiedenen Tresoren. Zusätzlich gab es über 5000 Patronen im Haus.
Einzig eine Waffe befand sich nicht gesichert im Keller. Diese hatte der Vater, aus Angst vor einem Überfall, in Schlafzimmer versteckt. Auch etwas Monition gab es dort. Es handelte sich um die Baretta.
Und mit genau dieser Waffe erschoss er 15 Menschen.

Genau aus dem Grund ist eine Verschärfung des Waffengesetzes sinnvoll. Bis jetzt habe ich nichts davon mitbekommen, dass sich großartig etwas geändert hat. Oder doch? Klärt mich auf.


Noch etwas anderes: Auch die Polizei hat an diesem Tag Fehler gemacht.
Punkt 1: der Funkverkehr war völlig gestört. Das Problem ist, dass immer nur einer Sprechen kann. Wenn mehrere gleichzeitig sprechen überlappt es und es ist nichts zu hören.

Punkt 2: falsche Täterbeschreibung. Es ist klar, dass die Schüler in ihrer Aufregung alles mögliche gesehen haben. Es gab viele verschiedene Beschreibungen. Der Täter wurde letztendlich mit Vollbart und in Tarnanzug beschrieben.
Aber nachdem der Täter am Gelände der Psychiatrie einen Mann im Fahrzeug entführt hatte und dieser irgendwann flüchten konnte wurde er nicht nach einer Täterbeschreibung gefragt. Er hatte genau beschreiben können, dass der Täter keinen Vollbart hatte, aber eine Brille Trug usw.
Aber das passierte nicht. Man verließ sich auf die Beschreibung, die einige Zeit zuvor über Funk gegangen war.
Nachdem der Mann sich befreit hatte war der Täter in das angrenzende Industriegebiet geflüchtet.
Die Polizei war ebenfalls sehr schnell vor Ort und auch der Polizei Helli.
Einer der ersten Wagen, der eintraf, fand einen jungen Mann, auf den zwar die Beschreibung nicht passte, aber den sie trotzdem kontrollieren wollten. Als die Ausstiegen eröffnete der Täter das Feuer. Dabei wurde er auch verletzt. Er ging zu Boden, legt die Waffe neben sich und hört auf die Polizisten, die sich langsam nähern. Plötzlich greift er wieder nach der Waffe, schießt auf die Beamten und flüchtet in ein Autohaus. Dort tötet er zwei weitere Personen, flüchtet wieder aus dem Autohaus und trifft auf eine Zivilstreife, auf die er ebenfalls das Feuer eröffnet. Die Beamten rechnen gar nicht damit, denn die Beschreibung war ja eine ganz andere. Den Beamten im Helli fiel der junge Mann ebenfalls auf, aber weil er nicht der Täterbeschreibung entsprach achteten sie nicht mehr großartig auf ihn.

Was ich damit sagen will ist, wenn man die Personenbeschreibung korrigiert hätte, dann hätte sowohl der Polizeihelli den Täter weiter beobachtet (sie hatten ihn ja im Bild), aber auch die Beamten am Boden hätten anders reagiert. So gingen sie aber viel zu locker an ihn ran und er flüchtete.

Natürlich ist die Polizei nicht schuld an der grausamen Tat, aber besonders die Polizei muss geschult sein mit solchen Situationen umzugehen. Sprich den Funk richtig zu nutzen (eigentlich sollten sie es können ... ) und wichtige Informationen ggf. auch verbessern.


Im letzten Sommer musste ich eine Situation miterleben, die alles andere als schön war.
Mehrere Jungs (7. oder 8.Klasse) kamen aus meiner Schule. In der Hand hielt einer von ihnen eine Waffe und damit machten sie dann auf dicke Hose. U.a. bedrohten sie einen Klassenkameraden damit, bis sie feststellten, dass ein Kumpel von ihnen das Magazin noch im Rucksack hatte.
Ich folgte ihnen, rief die Polizei an und gab immer den aktuellen Standort an. Was aber machte die Polizei? Sie überprüften erst einmal meine Daten, ließen mich eine ganze Weile in der Leitung und ich hatte den Eindruck, dass man mir überhaupt nicht glaube.
15 Minuten später war noch immer kein Wagen eingetroffen (ich lebe in einer Großstadt und bei einer Bedrohungslage mit Waffen brauchen die für gewöhnlich nicht länger als höchstens 5 Minuten, bis der erste Wagen eintrifft !) und die Jungs liefen mit der Aussage "Ich gehe jetzt Kaisers überfallen" in Richtung des Supermarktes.
Da nahmen wir ihnen die Waffe ab, zwangen die gesamte Truppe sich auf den Boden zu setzen und warteten auf die Streife. Es dauerte weitere 3 Minuten, bis ein Wagen eintraf. Auf einmal ging es etwas schneller, aber auch nur, weil der Typ in der Leitstelle mitbekommen hat, dass scheinbar wirklich etwas los ist (er hat natürlich gehört, dass plötzlich gebrüllt wurde und eine Aufruhr herrschte).
Zuerst kamen zwei Zivilstreifen. Ein bestellter Funkwagen fuhr ein paar mal am Ort vorbei (bei einer Bedrohung mit Schusswaffe!), bis er uns dann fand.

Es handelte sich (das stellten wir selbst fest, als wir ihnen die Waffe abnahmen) um eine Spielzeugpistole und wurde letztendlich als "dummer Jungen Streich" abgetan. Bestraft werden sie dafür nicht.
Sie hatten das Ding in der Schule dabei und bedrohten auch einen Mitschüler.
Man stellte mich dann eher als "übervorsichtig" da. Aber was wäre gewesen, wenn das eine echte Waffe gewesen wäre und ich nicht angerufen hätte?
Und was ist das für ein Zeichen für die Jungs? Ihr könnt ruhig eure Spielzeugwaffen zur Schule bringen - von uns aus auch eine echte - und damit bedrohen und auf dicke Hose machen, aber hauptsache ihr erschießt keinen?
Waffen, auch Spielzeugpistolen, gehören generell nicht in die Schule (eigentlich an keinen Ort) und wenn damit so eine Situation erzeugt wird gehören auch die Jungs bestraft - als Zeichen für alle anderen.

[winzlord]

Sportschütze war er nicht wirklich. Er war seit Jahren Mitglied des örtlichen Schützenverein, aber nicht wirklich aktiv.
2008 und 2009 war er einige Male zusammen mit seinem Vater am Schießstand und hat dort mit einer Baretta geschossen.
Im Haus befanden sich, anders als häufig in den Medien geschrieben, 24 Waffen. Diese waren in verschiedenen Tresoren. Zusätzlich gab es über 5000 Patronen im Haus.
Einzig eine Waffe befand sich nicht gesichert im Keller. Diese hatte der Vater, aus Angst vor einem Überfall, in Schlafzimmer versteckt. Auch etwas Monition gab es dort. Es handelte sich um die Baretta.
Und mit genau dieser Waffe erschoss er 15 Menschen.

Bis hierhin richtig.

Genau aus dem Grund ist eine Verschärfung des Waffengesetzes sinnvoll.

Das verstehe ich allerdings nicht. Weil sich einige nicht an die bestehenden Gesetze halten müssen sie verschärft werden?

[23zwerge]

Das verstehe ich allerdings nicht. Weil sich einige nicht an die bestehenden Gesetze halten müssen sie verschärft werden?

Genau auf solche Fälle soll sich eine Verschärfung beziehen, wie zum Beispiel regelmäßige und unangekündigte Kontrollen und wer dabei erwischt wird seine Waffen nicht ordnungsgemäß verschlossen zu haben ist seinen Schein und die Waffen los.

[winzlord]

Genau auf solche Fälle soll sich eine Verschärfung beziehen, wie zum Beispiel regelmäßige und unangekündigte Kontrollen und wer dabei erwischt wird seine Waffen nicht ordnungsgemäß verschlossen zu haben ist seinen Schein und die Waffen los.

Also keine Verschärfung des Waffengesetzes, sondern nur eine bessere Kontrolle des bestehenden Gesetzes.

[23zwerge]

Ja, erst einmal. Es sollte aber geprüft werden inwiefern und ob eine Verschärfung sinnvoll ist.