So, genau einen Monat nach dem Bundesvision Song Contest hier nun also mein allseits sehnsüchtig erwartetes Statement
(Für alle, die den Buvisocothread, durchaus verständlicherweise, nicht soo intensiv verfolgt haben: ich hatte dort angekündigt, ein paar Gedanken zum Thema 'Veränderung und Weiterentwicklung der Julis von 2004/05 bis heute' noch einmal an anderer Stelle zusammenzufassen)
Zunächst noch einmal eine wichtige Vorbemerkung: Ich finde keineswegs, dass in der musikalischen Entwicklung der Julis ein Abwärtstrend zu bemerken ist! Ich habe schon sehr oft betont, dass das dritte Album mir wirklich gut gefällt (sehr viel besser als das zweite), und gerade als ich es vor zwei Tagen wieder einmal komplett von Anfang bis Ende durchgehört habe, ist mir bewusst geworden, dass auch unter den eher schwachen Songs dieses Album kein einziger ist, der mich nun so gaaar nicht anspricht
Was ich aber auch sagen muss (und auch dies habe ich schon mehrfach geäußert): An das Überwältigende, vielleicht geradezu Magische des Albums 'Es ist Juli' reicht es für mich nicht heran; ohne das erste Album wäre ich wohl nicht hier, hätte vielleicht nie ein Konzert dieser Band besucht, mir vielleicht auch keine Singles oder noch nicht einmal die Nachfolgealben gekauft. Wenn ich aufzählen sollte, was diese Band mir allein durch ihr erstes Album geschenkt hat, dann wüsste ich gar nicht so recht, wo ich anfangen sollte; hier würde es ohnehin den Rahmen sprengen - aber gerade weil ich mit Juli so viel verbinde, beunruhigt mich der Gedanke, sie könnten sich womöglich in eine Richtung fortentwickeln, in der ich mit ihnen nichts mehr anfangen kann und sie in mir nur noch Erinnerungen an längst Vergangenes auslöst.
Meine Ansichten zu Themen wie 'Kleidung der Julis' und 'durchgestylte Bühnenshows' habe ich im Buvisocothread schon ausführlich geäußert; daher verzichte ich darauf, mich hier mehr als nötig zu wiederholen. Einen Sinn dahinter, sich auf der Bühne (oder auch außerhalb davon) besonders exquisit und elitär zu kleiden und schminken, sehe ich nach wie vor nicht, ich assoziiere damit Oberflächlichkeit und Schein, und es passt für mich nicht so richtig zu den Julis, wie ich sie kenne. Aber einen anderen Aspekt, der mich bei der Sache eigentlich am meisten irritiert, habe ich wohl noch an keiner Stelle des Forums sooooo deutlich angesprochen: die Art und Weise, wie die Julis mit ihrer Vergangenheit umgehen. Dazu muss ich allerdings etwas weiter ausholen:
Ich hab ja diesen Sommer zum ersten Mal in meinem Leben Wir sind Helden gesehen, und da ist mir schon ein gewisser Unterschied zu den beiden Julikonzerten der Ära 'In Love' aufgefallen: Den Helden, deren 2010er Album mir übrigens weitaus weniger gefallen hat als das von Juli, habe ich an jeder Stelle des Konzerts abgekauft, dass hier tatsächlich die Band vor mir steht, die seinerzeit so tolle Songs wie 'Denkmal' und 'Du erkennst mich nicht wieder' und 'Die Zeit heilt alle Wunder' geschrieben hat. Auf den Julikonzerten hingegen hatte ich bei Songs wie 'Perfekte Welle' und 'Regen und Meer' mitunter den irritierenden Eindruck, dass es fast ein bisschen so wirkt wie wenn eine völlig andere Band die alten Hits von Juli covert, bzw. dass diese wohl eher nur noch gespielt werden, weil sie die Fans erwarten, und weniger, weil die Band das will....
Und genau an dieser Stelle liegt für mich der Hase im Pfeffer: Wenn wir uns die Geschichte von Juli anschauen, so scheinen sie schon immer eine Band gewesen sein, die an gewissen Punkten sehr deutlich mit ihrer Vergangenheit bricht - das fängt ja schon bei Sunnyglade und den ganz frühen Julisachen an, wo sich die Band bis heute offenbar in ein Damit-haben-wir-abgeschlossen-Schneckenhaus zurückgezogen hat, und zieht sich weiter zur Veröffentlichung eines jeden neuen Albums. Rückblickend betrachtet scheint die Band mit jedem Album umgegangen zu sein, als ob es ihr erstes 'richtiges' Album war und alles davor nur Vorgeplänkel - wenn ich mit Bezug auf das 'neue' Schaffen der Julis dann Sätze lesen muss wie "Früher waren wir geil, aber jetzt machen wir Liebe" (was ich, überspitzt formuliert, als "Jetzt sind wir erst richtig ernsthaft, alles davor war nur unreifer Teeniequatsch" verstehe), dann find ich das schon ziemlich schade
Noch mal, ich verbiete den Julis sicher nicht, dass sie sich weiterentwickeln und auch mal was Neues ausprobieren; ich sehe in ihrem Schaffen auch in den Jahren 2010/11 mehr Positives als Negatives, freue mich sehr über ihr drittes Album und bin gespannt auf das vierte, das ich wohl auch ziemlich sicher wieder kaufen werde ..... nur: Ich würde mich freuen, wenn die Julis mehr zu ihrer Vergangenheit stehen würden und uns auch in Zukunft nicht vergessen lassen, dass wir hier die Band mit dem verdammt geilen und unvergleichlichen Album 'Es ist Juli' vor uns haben, und nicht nur irgendeine 2010er-Endzwanziger-Elektropopband mit ein paar verschämt verschwiegenen Jugendsünden
Das wars fürs erste von mir; ich betone nochmals ausdrücklich, dass dieses Statement nur meine ganz persönliche Meinung wiedergibt; ich weiß auch nicht, ob daraus nun eine Riesendiskussion entstehen wird, aber zumindest über den einen oder anderen Kommentar würde ich mich freuen
Falls jemand sich berufen fühlt, würden mich zum Beispiel folgende Fragen noch besonders interessieren (wobei natürlich auch sehr gerne ganz andere Aspekte angesprochen werden dürfen):
• Findet ihr, dass die Julis sich seit ihrem Durchbruch mehr verändert und gewandelt haben als andere Bands, die ihr kennt, im gleichen Zeitraum?
• Teilt ihr den Eindruck, dass Juli besonders stark danach bestrebt sind, mit ihrer (musikalischen und außermusikalischen) Weiterentwicklung zugleich ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen und mit ihr abzuschließen?
• Könnt ihr euch mit den Julis und ihrem Schaffen heute weniger identifizieren als früher; bzw. glaubt ihr, dass dies in absehbarer Zeit der Fall werden könnte? Oder bedeutet euer Fansein für euch "Ich werde Juli für immer begleiten und unterstützen, und wenn die Band gut findet, was sie tut, dann sehe ich keinen Grund zu zweifeln"?