Dank der Nachrichtenlage der letzten Wochen und Monate (erst die Wahlerfolge der AfD, dann seit neuestem eine Reihe von Demonstrationen unter dem schönen Motto "Pegida"), aber nicht zuletzt auch aus dem einen oder anderen persönlichen Grund () hatte ich in der letzten Zeit viel Anlass, über Themen wie (Alltags-)Rassismus und genereller Feindseligkeit gegenüber Fremden/Ausländern/Zuwanderern (oder auch nur nicht-ganz-deutsch-aussehenden Personen) nachzudenken. Und da ich es ja auch im Thread über "Satire und Kabarett" schon angedroht hatte, kommt jetzt hier mal ein eigener Thread dazu
Mein Eindruck von diesem Land und von der Welt ist, dass das – nennen wir es mal ganz neutral "Unbehagen" – gegenüber dem Fremden/Andersartigen in den letzten Jahren zugenommen hat. Oder genauer gesagt, es scheint offenkundig salonfähiger und gesellschaftlich akzeptierter geworden zu sein, derlei Vorurteile auszuleben. Angefangen hat das mit Sarrazin, dann ging das über die Enttarnung des NSU (und den ja offenkundig – bewusst? unbewusst? – eher schlampigen Umgang der Behörden mit demselben), da sind Pegida & Co irgendwo doch nur die logische Folge davon ....
(ja, ich erinnere mich, dass wir damals im Zuge der Sarrazin-Debatte einen Thread zum Thema "Migranten" hatten, und dass ich diesen damals auch noch selbst eröffnet hatte. Als Vorbereitung auf die jetzige Diskussion hab ich ihn noch einmal gelesen und muss ehrlich gestehen, dass ich manches, was ich damals geschrieben habe, heute nicht mehr so sehe, und mich für die eine oder andere Aussage sogar schäme. Manch anderes sehe ich allerdings noch ganz genauso. So oder so hab ich aber aus heutiger Sicht nicht den Eindruck, als seien integrationsunwillige Ausländer ein Hauptproblem unserer Gesellschaft )
Na jedenfalls .... da ja heute (zum ersten Mal im neuen Jahr) allerorten wieder Pe- und andere -gida-Kundgebungen (aber natürlich auch eine Menge Gegendemonstrationen ) stattgefunden haben, ist das meiner Ansicht nach ein guter Anlass, die Drohung endlich wahrzumachen und das Thema hierher ins Forum zu tragen. Wie auch immer, das Gefährliche an Pegida & Co. sind ja v.a. zwei Sachen:
• Einerseits ist es gerade die Tatsache, dass da so ganz unterschiedliche Menschen und Menschengruppen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen (und vielleicht auch unterschiedlichen Motiven?) mitmarschieren: Die einen, die schon immer stramme 100%ige Nazis waren und sich klammheimlich freuen, dass sie mit ihrem Weltbild nun auf einmal auch beim gesellschaftlichen Mainstream Anklang finden. Die anderen, die eben durch eine diffuse Mischung aus Fernsehen, Bildzeitung und in manchen Fällen womöglich auch eigene schlechte Erfahrungen dazu verleitet werden, in "den Ausländern" eine Bedrohung und vielleicht auch einen Sündenbock für ihre eigene (vermeintliche oder tatsächliche) missliche Lage sehen. Und manche werden womöglich auch gar nicht primär aus politischen Gründen mitmarschieren, sondern freuen sich einfach, dass sie mal auf sich aufmerksam und ein bisschen Krawall machen können (was z.B. auch meine ganz persönliche Deutung von diesem "Hooligans gegen Salafisten"-Quatsch wäre). Joa, und eben durch die Tatsache, dass da eben nicht nur „berufsmäßige“ Nazis und Krawallmacher marschieren, sondern auch (scheinbar) ganz normale, „zivilisierte“ Bürger, nimmt das Ganze so ein bisschen den Charakter einer breiten Volksbewegung an, was genau dieses verhängnisvolle Weltbild wiederum auch irgendwo "salonfähig" zu machen scheint. Das ist ja gerade der Knackpunkt, dass Nazis generell gerne annehmen, die schweigende Mehrheit der Gesellschaft zu repräsentieren – hier kriegen sie (zum ersten Mal?) so richtig die Bestätigung dafür.
• Andererseits die Tatsache, dass (sei es im Selbstverständnis, aber v.a. auch in der Außenwirkung) immer unterschwellig die Gleichsetzung "Islamismus ist böse" = "Islam ist böse" = "Ausländer sind böse" vermittelt wird. Und dadurch, dass gerade durch diese diffuse Gemengelage das gemeinsame "Feindbild" irgendwo auch verschwimmt, dass also aus "Islamismus = böse" über kurz oder lang "Ausländer = böse" wird, wird ja eben auch ein Stück weit dazu beigetragen, dass Leute sich trauen, ihren Fremdenhass ungenierter auszuleben als früher, dass sie auf einmal anfangen, Moscheen mit Hakenkreuzen zu bemalen oder Asylbewerberheime anzuzünden oder Menschen, die nicht so richtig deutsch aussehen, zu verprügeln ..... und grad das find ich ziemlich beängstigend und gefährlich, ganz unabhängig davon, was man zum Thema "Islamismus" denkt und ob man diesen tatsächlich für eine ernstzunehmende Bedrohung (und seine Bekämpfung für ein legitimes Anliegen) hält.
Aber genau darum finde ich, dass man gerade aus diesem Grund als Gegner von Pegida nicht denselben Fehler machen und den "Feind" nur als diffuse graue Masse abtun sollte. Wie schon im Satirethread geschrieben: Keiner mag es gerne, wenn man ihm von oben herab die Welt erklärt. Und darum halte ich so ein "Haltetdochdiefresseihrkacknazischweine" in so einem Fall für eher kontraproduktiv. Dadurch werden die sich doch vllt eher noch bestätigt fühlen (uuuuh, die bösen Mainstreammedien nehmen uns nicht ernst! und die Politiker schon gar nicht!). Vielleicht bin ich ein hoffnungsloser Idealist, aber ich würde mir eben wünschen, dass die Leute, die bei Pegida & Co marschieren, irgendwann selber erkennen, dass ihr Feindbild Humbug ist (und brandgefährlich noch dazu). Wenn es nun mal Menschen gibt, die bei dem Gedanken an Moscheen oder Asylbewerberheime in ihrer Nähe Angst/Hass/Wut/wasauchimmer empfinden, dann sollte es die Aufgabe aller Beteiligten – bzw. der ganzen Zivilgesellschaft – sein, dafür zu sorgen, dass die genannten Gefühle verschwinden. Ein Patentrezept, wie das nun konkret vonstatten gehen sollte, habe ich auch nicht; aber diese von Kristin ja schon im Satirethread angesprochene Dialogkultur ist mir mindestens ebenso wichtig wie ihr
Wie auch immer (und das vllt als Schlusswort): Ich finde, es sollte uns allen ein Herzensbedürfnis sein, ein Land zu schaffen, in dem jeder, der den Wunsch hat, in diesem Land ein friedliches und sicheres Leben zu führen, auch das bedingungslose Recht hat, dieses führen zu können – ganz egal, aus welchem Land er selbst oder seine Vorfahren kamen oder welche Hautfarbe er/sie rein zufällig hat. Ich identifiziere mich, wie hier ja sicher die meisten wissen, schon immer sehr stark wie Deutschland – und gerade darum wünsche ich mir ein Deutschland, das für alle Menschen da ist, die in ihm leben; ein Deutschland, in dem diese sich gleichermaßen sicher und geborgen fühlen und mit dem sie sich gleichermaßen identifizieren können wie ich. Und in den letzten Wochen hab ich im Internet so einige Sachen gehört/gelesen (von verschiedenen Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und Lebensumständen), die mir gezeigt haben, dass das wohl für manche Menschen nicht immer so ist – was mich, wie ich ehrlich zugebe, sehr berührt und betroffen gemacht hat. Gerade heute z.B. die Erfahrungen eines jungen Schwarzen, der in Leipzig aufgewachsen ist: http://www.sueddeutsche.de/leben/all...ssen-1.2202098 (und zur Ergänzung auch hier noch ein Interview mit ihm).
Könnte übrigens auch noch mehr Sachen posten, aber mal schauen ......