„Geile Zeit“ für den Minister
Privatradios finden Erwin Hubers Runden Tisch für die deutsche Musik nicht zeitgemäß
Von Claudia Wessel
Ja, ich weiß, es war ’ne geile Zeit, uns war kein Weg zu weit - du fehlst hier, ja ich weiß, es war ’ne geile Zeit, hey, es tut mir leid, es ist vorbei“. Solche Lieder möchte Staatsminister Erwin Huber öfters im Radio hören. Deshalb hat er gestern zum dritten Mal einen Runden Tisch zusammengerufen, der sich mit der Förderung deutschsprachiger Musik im Radio befaßte.
Juli heißt die Gruppe aus Gießen, deren Lied „Geile Zeit“ landauf, landab im Radio gespielt wird. Ebenso wie „Perfekte Welle“ und „Regen und Meer“ gehört es zum Repertoire fast aller Sender. Auch „Durch die Nacht“ von
Silbermond oder „Wir sind gekommen um zu bleiben“
[sic!] von
Wir sind Helden kennt jeder Radiohörer.
Stefan Ibelshäuser, Programmdirektor von Radio Energy München und Nürnberg, versteht daher nicht ganz, warum sich Staatsminister Erwin Huber gerade jetzt für mehr deutschsprachige Lieder im Radio engagiert. „Wir haben momentan eine sehr hohe Quote an deutschen Titel,“, sagt Ibelshäuser. „was einfach daran liegt, dass es zur Zeit wahnsinnig viele gute deutsche Titel gibt.“ Die vier besten Bands sind für ihn natürlich
Juli,
Silbermond,
Wir sind Helden und
Die Söhne Mannheims. „Das sind vier Bands, die derzeit für heftige Furore sorgen, auch in den größten Rotationen, die laufen am häufigsten bei uns im Programm. Daher ist für mich zum jetzigen Zeitpunkt die Forderung nach einer Deutsch-Quote unnötig.“
Dieser Meinung ist auch Karsten Kießling, Leiter der Musikredaktion von Radio Gong. „Es ist natürlich schön, wenn die einheimische Musik gefördert wird. Das ist immer vonnöten, grundsätzlich alles, was den deutschen Standort betrifft, zu fördern. Von daher finden wir das gut. Wenn Sie mich allerdings aus Radiosicht fragen, dann geht das natürlich in Richtung der freiwolligen Selbstverpflichtung, der so genannten Deutsch-Quote.“ Das jedoch lehne man ab, da alle großen Radiosender Research betreiben, das heißt: eine Bedarfsermittlung direkt beim Hörer. Ob die Hörer deutsche Lieder wollen, hänge immer auch von deren Qualität ab. „Damit sieht es im Moment sehr gut aus. Radio Gong spielt zwei bis drei deutsche Lieder pro Stunde.“ Wenn sich das Angebot auf dem Markt allerdings ändere, wolle man sich nicht vorschreiben lassen, schlechte Lieder zu spielen, nur weil sie auf Deutsch seien. „Es ist eher Aufgabe der Industrie, dafür zu sorgen, dass der Bedarf gedeckt wird und nicht, diesen durch das Radio oder andere Medien künstlich aufrecht zu erhalten. Das würde in keinem Supermarkt funktionieren.“
Eine Quote hat man Erwin Huber beim Runden Tisch ebenfalls ausgeredet. „Das wäre der falsche Weg“, sagte er nach der Zusammenkunft in der Staatskanzlei. „Es passt nicht in eine freie Gesellschaft.“ Stattdessen setze man ebenso wie der Bayerische Rundfunk auf die Förderung regionaler Bands. Unter anderem dadurch, dass am 15. September erstmals ein Teil der Musikmesse „Pop Komm“ in der Bayerischen Landesvertretung in Berlin stattfinde.