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Thema: Kurzgeschichten

  1. #1
    Moderator im Juli-Forum Mitglied im Juli-Fanclub Avatar von Juli
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    Standard Kurzgeschichten

    So, da ich ja öfters mal ein bisschen schreibe, wenn mir langweilig ist, dachte ich, ich mach mal 'nen Thread zu dem Thema auf.
    Die Geschichte hab ich gerade geschrieben, ich freu mich über Lob, Kritik, Anmerkungen zu Inhalt, Sprache, etc.
    Ob der Titel unbedingt so passend ist, weiß ich nicht, könnt ja auch noch andere Vorschläge posten!


    Der Fluss

    Langsam ließ sich Sarah an ihrer geschlossenen Zimmertür nach unten sinken. Der Telefonhörer glitt ihr aus der Hand. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Geschweige denn, denken. In ihrem Kopf fühlte sie nur noch Leere. Leere, nichts als Leere. Einen klaren Gedanken konnte sie nicht mehr fassen. Es schien ihr wie eine Ewigkeit, bevor sie die erste Träne über ihr Gesicht laufen spürte. Oder war dies schon vorher passiert und sie hatte es nur nicht gespürt? So wie sie vieles nicht gespürt hatte und vieles immer noch nicht spürte. Doch jetzt weinte sie. Weinte erbarmungslos. Sarah wusste nicht, wie lange sie so dasaß und weinte, aber als sie die Augen wieder geöffnet hatte, war es draußen schon dunkel. Beinahe schon zu dunkel. Die Straßenlaterne vor ihrem Zimmer war schon länger kaputt, sie war es gewohnt im Dunkeln einzuschlafen. Doch diese Nacht war es erschreckend dunkel. Nicht ein Stern erhellte den Himmel über Bristol in dieser lauen Nacht. Genauso wie es auch in Sarah aussah - stockdunkel. Sie konnte nichts tun, sie wollte nichts tun, und sie hätte auch nicht gewusst, was sie tun sollte. Mit einem Ruck stand sie auf, riss ihre Tür auf und rannte nach draußen. Es war nicht besonders warm, doch sie spürte die Kälte nicht. Sie spürte überhaupt nichts. Sie spürte nur tiefe Trauer. Und sie spürte Hass. Hass auf die Person, die ihr das angetan hatte. Die es soweit hatte kommen lassen. Und sie machte sich Vorwürfe. Vorwürfe, dass sie nicht aufgepasst hatte. Dass sie ihn hatte gehen lasen. Dass sie ihn nicht gleich gesucht hatte. Dass sie gewartet hatte, bis es schon zu spät war. Doch jetzt war alles zu spät. Jetzt war sie alleine. Ganz alleine. Für immer. Warum hatte sie nichts gemerkt? Warum war sie nicht für ihn da gewesen? Warum konnte sie ihm nicht helfen? Musste sie ihm überhaupt helfen? War sie für ihn verantwortlich? Musste sie sich Vorwürfe machen? Ja. Ja, das musste sie. Sie war erwachsen, er war noch ein Kind. Und sie waren ganz alleine. Sie war nicht genügend für ihn da gewesen. Sie hätte es merken müssen. Hätte merken müssen, wie schlecht es ihm ging. Und vor allen Dingen hätte sie ihm helfen müssen. Doch all das hatte sie nicht getan. Für sie war es nicht leicht gewesen, doch für ihn war es das noch viel weniger. Sie hatte versucht, eine Mutter für ihn zu sein, aber es war ihr nicht gelungen. Es war ihr nicht gelungen, sich nach dem Tod seiner Eltern um ihn zu kümmern. Sie hatte seine Probleme nicht bemerkt. Oder hatte sie es gemerkt und nur nicht ernst genommen? Nicht ernst genug? so oft hatte er ihr davon erzählt. Erzählt von diesen Leuten, die ihn so sehr quälten. Die ihn so sehr gequält hatten, dass es jetzt soweit gekommen war. Büßen sollten sie. Büßen dafür, dass sie jetzt ganz alleine war. Dafür, dass sie das Liebste verloren hatte, das sie noch besaß. Das Einzige. Ohne es zu merken, stand Sarah plötzlich auf dieser Brücke. Sie wusste nicht, warum, und sie wusste nicht, wie lange sie ziellos durch diese ihre Heimatstadt gelaufen war. Sie wusste nur, was sie zu tun hatte. Und wenige Sekunden später war es vorbei. War alles vorbei. Für immer. Sie hatte es getan. Sarah war gesprungen. In den selben Fluß, aus dem sie ihn nur wenige Stunden zuvor geholt hatten. Ihn, Scott, ihren kleinen Bruder, den sie nicht bewahren konnte vor einer Welt, die sie selbst nicht verstand.


    And this life I lead it's a curious thing, but I can't deny the happiness it brings

  2. #2
    Malibun
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    ich find die geschichte oberst schön, obwohl schön vielleicht nicht das passende wort ist. wie du erst ihre gefühle geschrieben hast und dann nach und nach immer mehr aufgeklärt hast. sehr, sehr, sehr gut gelungen *daumenhoch*

  3. #3

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    boah...die Geschichte ist der Hammer...ich kann Malibun nur zustimmen...echt klasse geschrieben!
    I don't care for sugar, Honey!

    www.hamsterbaeckchen.ag.vu

  4. #4
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    Zitat Zitat von Juli
    ich freu mich über Lob, Kritik, Anmerkungen zu Inhalt, Sprache, etc.
    Du freust dich über alles???
    Dann kannst du dich über mein Lob freuen ^^
    Hammer !! Echt ne waaahnsinns geschichte .. huii da fehlen einem voll die worte ^^

  5. #5

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    Gut, ein paar stilistische Sachen sind drin:

    Sie wußte nicht, was sie tun sollte, geschweige denn denken - liest sich mit Komma besser.

    In ihrem Kopf spürte sie nur noch Leere, nichts als Leere - drei Mal 'Leere' ist irgendwie zu viel


    Und ansonsten springt sie mir zu abrupt in den Fluß.

  6. #6
    Avatar von AndreasZ
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    Ähm, ja...
    Aber warum springt sie in den Fluss? Weil der andere da auch drin war? Und Fluss, naja... warum nicht Hochhaus oder so, das ist sicherer... oder handelt es sich um die Donau bei Regensburg während des Jahrhunderthochwassers? Und irgendwie haben da nicht ein paar Leute total versagt? Ich weiß ned, ob das jetzt Zufall ist, ich hab' vorhin 'ne Doku und 'n Rückblick, wie man's nennen will, über Jennifer Nitsch gesehen, die ist ja bekanntlich von 'nem Schwabinger Hausdach gefallen/gesprungen (?) und das da wohl was nicht ok war, hatten viele vorher schon gemerkt... Tja und wenn man dann noch einige Promille, Tabletten und Drogen hat...

  7. #7
    Moderator im Juli-Forum Mitglied im Juli-Fanclub Avatar von Juli
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    Mali, HB und Sabbel:
    Vielen Dank für euer Lob

    Shaggy:
    Das mit dem dreimal "Leere" hintereinander ist Absicht .
    Und das mit Komma lass ich mir mal durch den Kopf gehen ^^. Ansonsten bin ich ja doch eher der Fan von kurzen markanten Sätzen, am liebsten Ellipsen *fg*
    Zu aprubt?! Naja, es passiert ja viel, was nicht erzählt wird, sondern was sich abspielt, während sie denkt...

    Andi:
    Also mit Frau Nitsch hat das nichts zu tun ^^.
    Und es handelt sich um keinen besonderen Fluss.
    Sie springt, weil sie das Liebste und Einzige verloren hat, was sie in ihrem Leben noch besaß - ihren kleinen Bruder.
    Und keine Drogen, kein Alkohol oder sonstiges.


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  8. #8
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    Also mit Frau Nitsch hat das nichts zu tun ^^.
    Sie sind beide gesprungen.
    Eine Entscheidung, die sie beide bereuen würden, würden sie das noch tun können...

  9. #9
    Moderator im Juli-Forum Mitglied im Juli-Fanclub Avatar von Juli
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    Vielleicht war das Leben von "Sarah" aber auch schon nicht mehr lebenswert - und von Frau Nitsch auch nicht...


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  10. #10
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    also ganz im Ernst, mir gefällt die Geschichte echt super gut!!! Super schön geschrieben!!! Ich könnt sowas nicht...
    *Träume nicht dein leben, sondern lebe deine Träume!!!*

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