So, da ich ja öfters mal ein bisschen schreibe, wenn mir langweilig ist, dachte ich, ich mach mal 'nen Thread zu dem Thema auf.
Die Geschichte hab ich gerade geschrieben, ich freu mich über Lob, Kritik, Anmerkungen zu Inhalt, Sprache, etc.
Ob der Titel unbedingt so passend ist, weiß ich nicht, könnt ja auch noch andere Vorschläge posten!
Der Fluss
Langsam ließ sich Sarah an ihrer geschlossenen Zimmertür nach unten sinken. Der Telefonhörer glitt ihr aus der Hand. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Geschweige denn, denken. In ihrem Kopf fühlte sie nur noch Leere. Leere, nichts als Leere. Einen klaren Gedanken konnte sie nicht mehr fassen. Es schien ihr wie eine Ewigkeit, bevor sie die erste Träne über ihr Gesicht laufen spürte. Oder war dies schon vorher passiert und sie hatte es nur nicht gespürt? So wie sie vieles nicht gespürt hatte und vieles immer noch nicht spürte. Doch jetzt weinte sie. Weinte erbarmungslos. Sarah wusste nicht, wie lange sie so dasaß und weinte, aber als sie die Augen wieder geöffnet hatte, war es draußen schon dunkel. Beinahe schon zu dunkel. Die Straßenlaterne vor ihrem Zimmer war schon länger kaputt, sie war es gewohnt im Dunkeln einzuschlafen. Doch diese Nacht war es erschreckend dunkel. Nicht ein Stern erhellte den Himmel über Bristol in dieser lauen Nacht. Genauso wie es auch in Sarah aussah - stockdunkel. Sie konnte nichts tun, sie wollte nichts tun, und sie hätte auch nicht gewusst, was sie tun sollte. Mit einem Ruck stand sie auf, riss ihre Tür auf und rannte nach draußen. Es war nicht besonders warm, doch sie spürte die Kälte nicht. Sie spürte überhaupt nichts. Sie spürte nur tiefe Trauer. Und sie spürte Hass. Hass auf die Person, die ihr das angetan hatte. Die es soweit hatte kommen lassen. Und sie machte sich Vorwürfe. Vorwürfe, dass sie nicht aufgepasst hatte. Dass sie ihn hatte gehen lasen. Dass sie ihn nicht gleich gesucht hatte. Dass sie gewartet hatte, bis es schon zu spät war. Doch jetzt war alles zu spät. Jetzt war sie alleine. Ganz alleine. Für immer. Warum hatte sie nichts gemerkt? Warum war sie nicht für ihn da gewesen? Warum konnte sie ihm nicht helfen? Musste sie ihm überhaupt helfen? War sie für ihn verantwortlich? Musste sie sich Vorwürfe machen? Ja. Ja, das musste sie. Sie war erwachsen, er war noch ein Kind. Und sie waren ganz alleine. Sie war nicht genügend für ihn da gewesen. Sie hätte es merken müssen. Hätte merken müssen, wie schlecht es ihm ging. Und vor allen Dingen hätte sie ihm helfen müssen. Doch all das hatte sie nicht getan. Für sie war es nicht leicht gewesen, doch für ihn war es das noch viel weniger. Sie hatte versucht, eine Mutter für ihn zu sein, aber es war ihr nicht gelungen. Es war ihr nicht gelungen, sich nach dem Tod seiner Eltern um ihn zu kümmern. Sie hatte seine Probleme nicht bemerkt. Oder hatte sie es gemerkt und nur nicht ernst genommen? Nicht ernst genug? so oft hatte er ihr davon erzählt. Erzählt von diesen Leuten, die ihn so sehr quälten. Die ihn so sehr gequält hatten, dass es jetzt soweit gekommen war. Büßen sollten sie. Büßen dafür, dass sie jetzt ganz alleine war. Dafür, dass sie das Liebste verloren hatte, das sie noch besaß. Das Einzige. Ohne es zu merken, stand Sarah plötzlich auf dieser Brücke. Sie wusste nicht, warum, und sie wusste nicht, wie lange sie ziellos durch diese ihre Heimatstadt gelaufen war. Sie wusste nur, was sie zu tun hatte. Und wenige Sekunden später war es vorbei. War alles vorbei. Für immer. Sie hatte es getan. Sarah war gesprungen. In den selben Fluß, aus dem sie ihn nur wenige Stunden zuvor geholt hatten. Ihn, Scott, ihren kleinen Bruder, den sie nicht bewahren konnte vor einer Welt, die sie selbst nicht verstand.