Deutscher oder Europäer ?

[Jérémie]

in meinem Deutschbuch habe ich Zeugenaussage von Jugendlichen gesehen, die sagten, dass sie sich mehr Europäer als Deutschen fühlen. Sie erklären, dass sie es gewählt haben, in Deutschland geboren zu sein, also fühlen sie sich nicht wirklich Deutschen. Sie mögen lieber Europäer sein, weil sie es gewählt haben und sie den Kulturaustausch mögen.
Ich, der aus einem von einem Heimatgefühl sehr geprägten Land bin, bin davon sehr überrascht. Wie kann man auf dem Land, das uns alles gelehrt hat, das uns so viele Werte übertragen, verzichten ? Auch wenn ich davon Lust habe, in Deutschland zu leben, werde ich mich gar nicht als Europäer, sondern als Franzose, oder vielleicht als Deutsch-Franzose fühlen ?
Was haltet ihr davon ? Fühlt ihr euch eher Deutschen oder Europäer ?

[20.Juli]

Ich fühl mich ehrlich gesagt mehr wie ein bayer als Deutscher. *lach*

[Danchr]

Ich fühl mich als Mensch und es ist mir egal, wo ich geboren bin. Hier hält mich nicht wirklich viel, und ich weiß schon, dass wenn ich mit meiner Ausbildung/Studium fertig bin, Deutschland auf jeden Fall verlassen werde.

[esiststeffen]

ich bin mal ganz ehrlich und weiß schon, dass ich mich damit mal wieder alles andere als beliebt machen werde

also ich fühl mich ganz und gar nicht als Europäer; bzw bin ich natürlich ein Europäer, aber für mich spielt das keine Rolle, was meine Identität angeht ..... ich bin Deutscher und das ist auch gut so

als ich klein war (Anfang/Mitte der 90er Jahre; also sagen wir mal in den ersten 10 Jahren meines Lebens) haben wir einige größere Autoreisen in Deutschland und in die Nachbarländer gemacht; und damals fand ich es total toll wie viele Sachen es doch gibt, die es nur in Deutschland gibt und die alle Länder voneinander unterscheiden .... zum Teil so ganz banale Dinge; seien es andere Autokennzeichen, andere Straßenschilder, andere Briefmarken und Telefonkarten (ja, 90er Jahre eben^^), und auch (damals noch) anderes Geld .... ich hab mich gefreut, dass es diese Dinge so wie wir sie kennen eben nur in Deutschland gab und dass sie in anderen Ländern ganz anders aussahen

aber auch generell find ich, dass die Deutschen untereinander viel mehr verbindet und es viel mehr 'typisch Deutsches' gibt, als das bei Europa und den Europäern der Fall ist ..... was ist denn zB 'typisch europäisch'? also was teilen alle Europäer (oder der überwiegende Teil davon) miteinander, was unterscheidet uns (von der Geographie mal abgesehen^^) von den Amerikanern oder Australiern? und die wenigen Sachen, die tatsächlich mehrere europäische Länder gemeinsam haben (wie der Euro), sind doch alle nur künstlich geschaffen, um genau dieses Ziel irgendwie zu erreichen, um die europäischen Grenzen zu verwischen .....


ich ertrag es überhaupt nicht, wenn irgendwo vom 'europäischen Traum' die Rede ist ..... meist wird darunter ja irgendwie so was verstanden, dass es eines Tages mal keinerlei Grenzen mehr in Europa gibt und dass alles gleich und alles ohne Unterschied ist und dass es praktisch gleichgültig ist, wo in Europa ein Mensch herkommt und wo er wohnt ..... also ich kann das echt nicht begreifen, für mich ist das kein europäischer Traum, sondern ein europäischer Alptraum


eines muss ich wohl an dieser Stelle mal anmerken: nur weil ich mein Land toll finde und weil ich dauernd von 'Grenzen' rede, die man bewahren müsse, heißt das noch lange nicht, dass ich irgendwas gegen andere Länder habe! ..... ich verreise sehr gerne, ich find den angesprochenen 'Kulturaustausch' gut und wichtig, und ich hab auch nix dagegen wenn das grenzüberschreitende Reisen erleichert wird; nur DASS da überhaupt eine Grenze ist, sollte der Mensch schon noch irgendwie bemerken (und zwar nicht nur durch ein unauffälliges blaues Schild mit einem Kreis von gelben Sternen um den Landesnamen^^) ..... und ich sag auch nicht dass ich NUR in Deutschland leben möchte (auch wenn dort eindeutig am liebsten), aber WENN ich in Spanien oder Schweden oder in der Slowakei wohnen müsste, würd ich mich trotzdem Zeit meines Lebens meiner deutschen Wurzeln besinnen und mich bemühen, diese auch im Bewusstsein meiner Angehörigen zu verankern ...... Dänemark zum Beispiel find ich ein sehr sehr tolles Land (was vllt auch damit zusammenhängen könnte, dass sie so ein ausgeprägtes Nationalbewusstsein haben und dass sie wenigstens nicht bei jedem EU-Quatsch mitmachen); neben Deutschland ist es eindeutig mein Lieblingsland (und ich würd gerne eines Tages mal die Sprache lernen); aber es ist nun mal nicht MEIN Land


und wer noch an weiteren Aussagen zu Themen interessiert ist, die in mancher Hinsicht für das hier behandelte von Interesse sein könnten, der findet diese hier

[Juli]

Dazu möchte ich mal die Wise Guys aus ihrem Lied "Stolz" zitieren:

Nationalgelalle in schwarz, rot und gold
Ich hab keine Ahnung, was ihr von mir wollt!

Doch ob ich stolz bin, ein Deutscher zu sein?
Ich weiß nicht mal, was so 'ne Frage soll!
Es will beim besten Willen in meinen Kopf nicht rein,
stolz auf einen Zufall zu sein!

Ich fühle mich als Münchnerin. Das werd ich immer bleiben, egal wann ich wo bin. Natürlich hab ich mir das auch nicht ausgesucht, aber ich bin glücklich, hier wohnen zu dürfen.

Insgesamt sehe ich es aber auch so wie Daniel und würde am liebsten irgendwann von hier weg.

[vinchen2]

so wirklich als deutsche fühle ich mich auch nicht... für mich ist das so ich lebe hier in deutschland und fertig... warscheinlich verlasse ich sowieso deutschland wenn ich alt genug bin.. hier ist nichts was mich in deutschland hält...

[chezza]

gut, müsste ich mich zwischen den beiden Bezeichnungen entscheiden, würde ich wohl sagen, dass ich mich eher als Deutsche sehe. Vermutlich, weils naheliegender ist.

aber ehrlich gesagt muss ich Juli zustimmen...ich bin Kölnerin, bzw fühle mich München verbunden, weil ich in diesen zwei Städten aufgewachsen bin, hier die meisten meiner Freunde leben und ich einfach die Städte mag.
da, wo das herz ist, ist man zu hause.

und ob ich irgendwann in deutschland lebe oder meinetwegen in den usa..ist mir eigentlich egal. was mich immer zurück hierhin ziehen wird, ist meine familie bzw freunde.

[Malibun]

erstmal zu mir persönlich. ich fühle mich zum großteil als frankfurterin/hessin und als deutsche und zu einem ganz kleinen teil vielleicht auch als äthiopierin (und wenn ich mit maria chatte auch als schwäbin ). dazu muss man sagen, dass ich in deutschalnd (/frankfurt) geboren und aufgewachsen bin, meine mutter aus äthiopien kommt und mein vater ausm schwobenländle.
ich finde zwar auch, dass "stolz" nicht das passende wort ist, aber ich bin durchaus froh deutsche zu sein und bin zu einem gewissen maße auch durchaus patriotistisch. natürlich gibt es in deutschland, wie in jedem anderen land auch dinge die ich nicht gut finde. aber die positiven aspekte überwiegen in meinen augen und außerdem ist es einfach meine heimat. ich werde deutschland auch immer als das land schätzen, dass mir gewisse kulturelle werte beigebracht hat, dass mich geprägt hat und dass mir gewisse freiheiten gegeben hat. klar, gibt es auch hier unrecht, wie z.B. justizfehler, aber dennoch leben wir in einer demokratie, in der es freie wahlen, meinungs-, religions-, pressefreiheit, eine gewisse soziale absicherung, und gewaltenteilung gibt.
als europäerin fühle ich mich eher nicht, weil mir das viel zu abstrakt wäre. es gibt eindeutig zu viele kulturelle unterschiede zwischen kroatien, russland, frankreich, spanien, finnland, litauen, polen, deutschland usw. um diese ganzen verschiedenen länder und ihre ganzen verschiedenen kulturen und traditionen mit de, einen begriff "europa" zusammen fassen zu können. klar wenn ich ins ausland gehe, werde ich auch oft, als "european" angesehen (genauso wie ich in deutschland eher die halbafrikanerin, als die halbäthiopierin bin), und sobald man aus europa raus ist, fühlt man sich mit europäern die man da trifft, auch eher verbunden, aber trotzdem bin ich vom gefühl her deutsche.

nochwas allgemeines zum deutschen nationalgefühl. wie du (Jérémie) schon fest gestellt hast, bzw wahrscheinlich auch an diesem thread sehen wirst, gibt es in deutschland einfach nicht dieses starke gefühl von nationalstolz wie in den meisten anderen ländern. das liegt daran, dass die meisten von uns großeltern haben, die den zweiten weltkrieg miterlebt haben. nach diesem erlebnis, gab es gerade in unserer elterngeneration ein vorherschendes entsetzen über das was an verbrechen unter hitler geschen ist und das gefühl "das darf nie wieder passieren". auch unsere generation hat von klein auf gelernt, dass deutschland eine sehr dunkle vergangenheit hat. und daher fällt es uns deutschen oft schwer sich mit unserem land zu identifzieren, weil wir oft angst haben dass dieser nationalstolz schnell wieder in nationalistisches denken umschwenken könnte. außerdem denken viele, dass man deutschland einfach nicht mögen kann, nachdem hier so grausame dinge passiert sind.
meine persönliche meinung dazu ist, dass man gesunden patriotismus nicht mit nationalismus und fremdenhass verwechseln darf. man sollte das eigene land immer noch kritisieren können und nicht nur alles was im eigenen land passiert mit der rosa roten brille betrachten. solange das gegeben ist, seh ich an ein bisschen patriotismus wirklich nichts verwerfliches, ganz im gegenteil.
auch versteh ich nicht, warum sich irgendein deutscher, der nach 1933 geboren ist, für die verbrechen des zweiten weltkriegs, schuldig fühlen sollte. was können wir dafür, wenn viele von uns großeltern haben, die damals "nichts gemacht haben" oder vielleicht sogar aktiv mitgemacht haben? das einzige wofür wir verantwortlich sind, sind unsere eigenen, individuellen handlungen.

damit will ich keineswegs sagen, dass man sein land mögen/lieben muss. jeder kann für sich selbst entscheiden, ob er am eigenen land mehr positive oder negative aspekte sieht. und ein gefühl sich zu einem land zugehörig zu fühlen, kann man auch nciht erzwingen.
dass einzige was man sich, egal ob man deutschland mag oder nicht, vor augen halten sollte, ist, dass es uns im vergleich zu sehr vielen anderen (diktatorischen) ländern, doch ganz gut hier geht und dass wir froh sein können, in einer demokratie zu leben. daher halte ich extremen deutschlandhass für unangebracht.

[Kathieee]

Ich denke das ist schwer zu beurteilen, wenn man in Deutschland ist. Um ein Gefuehl fuer die eigene Identitaet und Kultur zu bekommen, muss man sie von aussen sehen. All diejenigen, die sagen, dass sie Deutschland ganz schlimm finden und unbedingt irgenwann wegwollen, sollten erstmal dort, wo sie hinwollen, ankommen und sich wohlfuehlen, um dieser Aussage Gehalt zu verleihen.

Ich persoenlich habe mich nie als uebermaessig deutsch gesehen, entdecke aber, seitdem ich im Ausland lebe, immer mehr "typisch deutsche" Eigenschaften. Dinge, die man zuhause nicht wahrnimmt.

Ich bin sehr zufrieden wo ich bin, sehe mich hier vor allem als Europaerin (da europaeische Kulturen den meinen am naechsten sind), allerdings fragt dich keiner, von welchem Kontinent du kommst. Soll heissen, auf die Frage "Where are you from?" antwortet man entweder mit "Germany" oder (in meinem Fall) "Berlin". Ob ich mich mit der EU als "Heimat" identifizieren kann, weiss ich nicht. Dafuer sind auch die Laender innerhalb der EU kulturell viel zu unterschiedlich. Oder ist fuer euch Griechenland und Frankreich das Gleiche? Je weiter man von Europa wegkommt, desto aehnlicher ist es sich. Wenn man aber die Feinheiten der Kulturen kennt, denke ich bezieht sich Kultur fuer jeden persoenlich auf einen sehr eng begrenzten Raum.

[Malibun]

kathies beitrag kann ich nur eins zu eins so unterscheiben. das ist jetzt zwar kein wahnsinnig gehaltvoller post von mir grade, aber ich musste einfach mal los werden, dass kathie den nagel wirklich 100%ig auf den kopf getroffen hat!!