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Thema: Vom Erwachsenwerden und von Lebenskrisen

  1. #1
    Mitglied im Juli-Fanclub Avatar von Sk8er_Girl
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    Standard Vom Erwachsenwerden und von Lebenskrisen

    Die Lektüre des Buches „Wachstumsschmerz“ hat mich dazu veranlasst, diesen Thread zu starten. Ich hoffe, der Titel klingt nicht soooo abschreckend und es muss auch gar nicht zwangsläufig persönlich werden, aber ich würde gern das Thema des immer später werdenden Erwachsenwerdens und der „Quarterlife“- und „Thirdlife-“crises aufgreifen
    Mit quarter-life und third-life-crisis ist gemeint, dass man schon so mit 25, 30 eine erste Sinnkrise hat, das erste Mal Bilanz zieht bzw. an einem Scheideweg steht und sich fragt, ob der bisher eingeschlagene Weg gut war oder ob man nicht doch nochmal umkehren will (man hat sich ja noch nicht so lang auf den Weg gemacht) und was ganz Neues machen will.
    Dass man also „erst“ mit 25, 30 eine erste größere Sinnkrise durchläuft, zeigt ja schon, dass man heutzutage immer später erwachsen wird bzw. durch die vielfältigen Lebensentwürfe das Erwachsenwerden/ -sein immer später anfängt. Früher übernahm man halt (gaaanz vereinfacht gesagt) entweder die Arbeit/ den Hof/ das Haus des Vaters als Sohn, als Tochter heiratete man früh woanders ein und bekam dann Kinder, und selbst in den letzten Jahrzehnten, wo die verkrusteten Strukturen am Aufweichen waren, schien alles einfacher und „vorgezeichneter“ zu sein, die Möglichkeiten nicht gar so mannigfaltig wie heutzutage.
    In dem Buch „Wachstumsschmerz“ jedenfalls geht es um ne Frau Anfang 30, die mit ihrem Job nur so halb zufrieden ist (und nebenbei in ner Agentur ne Kartei hat, um vielleicht doch noch Schauspielerin/ Model zu werden), die mit ihrem Freund nach ewig langem Rumgedruckse zusammenzieht und für die das dann doch nicht das richtige ist und sie ständig mit sich am Hadern ist....

    Was sagt ihr nun so dazu, sei es aus eigenem Empfinden oder allgemein: ist es heute schwieriger, erwachsen zu werden/ zu sein? Seid ihr erwachsen? Was heißt das überhaupt? Und gibt es diese quarter-/ third-/ was weiß ich/-crises überhaupt?

    Also ich muss sagen (dabei beziehe ich mich nochmals aufs Buch), dass einem natürlich Situationen oder Gedankengänge bekannt vorkommen, aber insgesamt muss ich sagen, dass dieses „hach wir sind ja sooo jung und haben alles vor uns, wissen nur nicht, was davon wir wollen“ doch ein ziemliches Luxusproblem ist. Zum einen natürlich, wenn man unsre Jugend/ junges Erwachsensein mit dem von Leuten vergleicht, die beispielsweise während des Kriegs erwachsen werden mussten oder in Ländern, in denen es den Leuten nicht so gut geht wie uns. Aber (auch wenn ich jetzt natürlich die Eindrücke des Buchs frisch vor mir habe und das vielleicht unfair ist) ich finde auch, dass dieses stete Suchen, dieses bewusste Empfinden, dass man alles noch ändern kann und man doch bitte um Himmels Willen keine Entscheidungen treffen muss, ein stückweit Lifestyle geworden ist und sich manche richtiggehend darin suhlen. Hin und wieder geht damit auch ein gewisse Egozentrik her, also dass man allen Leuten, die nicht ständig über ihre Orientierungslosigkeit jammern, unterstellt, in ihrem Leben wäre alles toll und man würde zu 100% fest im Sattel sitzen.

    Ich finde, dass „Erwachsensein“ zumindest für Leute in unsrem Alter so ein anzustrebender Zustand ist wie „Gesundsein“, also dass man es wohl nie zu 100% sein kann, sondern sich dem nur annähern kann/ sollte. Grundsätzlich finde ich, ist man erwachsen, wenn man die Freiheiten, die man so mit 18, 19, 20 bekommt (Auto fahren, Schule/ Ausbildung fertig, ….), in Anspruch nimmt und dann aber auch Verantwortung für sein Tun und ggf. für andre übernimmt (rein soziologisch ist die Definition vom Erwachsensein wohl die finanzielle UND emotionale Unabhängigkeit vom Elternhaus, auch das trifft es natürlich ganz gut).
    Ich seh mich schon als recht erwachsen an, was so Finanzen, Haushaltsführung, … angeht. Wenn ich andrerseits dran denke, dass ich bald Kinder haben sollte, würde ich mir auch denken "Was, jetzt schon?!"
    Allerdings hat sich früher auch niemand vorher ewig Gedanken gemacht, ob denn nun Kinder in den Lebensentwurf passen, heutzutage wird ja auch manchmal dieses „den richtigen Zeitpunkt finden“ richtiggehend zelebriert. Wenn man nicht grad 14 ist und noch keinen Schulabschluss hat, denke ich, dass man in die Elternrolle zu jeder Zeit gut reinwachsen kann und es den richtigen Zeitpunkt eh nie gibt.
    Also unterm Strich: ich denke, es ist zu einem gewissen Punkt schon schwieriger geworden, erwachsen zu werden und fest im Leben zu stehen, weil die Möglichkeiten größer sind bzw. uns dieses suggeriert wird (das fängt ja schon an, wenn man einfach nen Kaffee haben will und da 1000 Sorten dastehen oder man bei Subway fast schon einem Interview unterzogen wird, bis man dann sein Essen hat – das mein ich ernst!). Mir erschließt sich nur nicht so ganz, wieso manche dann so in der Entscheidungslosigkeit verharren. Bevor ich mir überlege, ob ich nun irgendso einen hippen Kaffee mit oder ohne Schaum, mit oder ohne irgendeinem Zusatz und sonst was will, tut es doch manchmal auch ein stinknormaler Kaffee, der schmeckt auch und wärmt ggf von innen....oder um das Sprichwort zu bemühen: der Spatz in der Hand....
    Beispielsweise glaube ich nicht, dass es den perfekten Beruf bzw. genauer die perfekte Arbeitsstelle gibt, aber irgendwann sollte man wohl auch mal ganz pragmatisch sagen, dass es einem doch unterm Strich gut geht (oder es eben wirklich ändern) und akzeptieren, wie es (geworden) ist.
    Ich denke, im Leben ist man oft Veränderungen unterworfen und hat natürlich mitunter ganz individuelle Herausforderungen und Krisen zu bewältigen, das Problem ist wohl heutzutage eher, dass man zumeist auf das schielt, was einem fehlt, nicht auf das, was man schon hat. Oder eben auf das, was andre haben, weil uns eben suggeriert wird, dass man doch eigentlich alles haben kann.
    Naja und aus diesen (anstehenden) Veränderungen heraus ergeben sich dann natürlich auch mögliche Umbrüche/ Sinnkrisen, aber ich denke nicht, dass jeder eine quarter-/third-/midlife-/sonstwas-crisis hat, es sei denn, er möchte eine haben....
    Ich liebe dieses Leben.

  2. #2
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    Standard AW: Vom Erwachsenwerden und von Lebenskrisen

    Aber nicht jedem schmeckt ein stinknormaler Kaffee. Da isses schon toll, dass es Alternativen gibt.

    Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, wenn ich das jetzt schreibe...: du magst vllt. noch keine Krise gehabt haben; du magst auch generell gesund sein; du magst einen sicheren Job anstreben. Du magst so viel haben, was andere nicht haben. Sei es, dass sie die (finanziellen od. schulischen) Voraussetzungen nicht haben, oder eben aus gesundheitlichen Gründen. Aber: nicht jeder ist so! Und ich finde es schon ziemlich dreist und eine Frechheit zusagen

    aber ich denke nicht, dass jeder eine quarter-/third-/midlife-/sonstwas-crisis hat, es sei denn, er möchte eine haben....
    nur weil bei dir alles im Lot ist?! Ja, glaubst du denn, ich hab mich freiwillig gemeldet als Depressionen verteilt wurden. Oder um es noch weiter auszuführen, als der liebe Herrgott mich mit der Behinderung segnete?! Das glaubst du doch nicht wirklich...

    Deine Sichtweise ist vllt für dich erwachsen; für mich schlicht und ergreifend einseitig, naiv und hochnäßig! Sorry Kristin, aber zum Erwachsen sein gehört auch, dass man seine Umgebung und Gesellschaft gesamtheitlich erfasst!

  3. #3
    Malibun
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    Standard AW: Vom Erwachsenwerden und von Lebenskrisen

    Wie hat dir das Buch gefallen, würdest dus weiter empfehlen? Ich hab mir das Buch zum Geburtstag gewünscht und auch bekommen, aber habs bisher noch nicht angefangen zu lesen (Sarah Kuttners ersten Roman "Mängelexemplare" fand ich auf jeden Fall richtig gut, ist einer meiner Lieblingsbücher).

    Wie ihr ja wahrscheinlich alle wisst, hatte ich schon meine ordentliche Portion Lebenskrise. Ob die jetzt in irgendeiner Form was mit meinem Alter zu tun hatte, kann ich nicht beurteilen.

    Ob es heute schwieriger oder leichter ist erwachsen zu werden, kann ich nicht beurteilen, weil ich ja aus eigener Erfahrung nur weiß, wie es heute ist. Natürlich ist es sicherlich schwieriger, wenn nebenher noch ein Weltkrieg stattfindet, aber auf so extreme zeitgeschichtliche Ereignisse, würd ich jetzt eher weniger eingehen.

    Ich gebe zu, ich habe mit diesem Erwachsen-werden-sein schon noch manchmal meine Probleme. Ich hab zwar schon einige Jahre alleine gelebt (auch wenn ich im Moment wieder bei meiner Mutter wohne), kann mich selbst verpflegen, kann einigermaßen kochen und Wäsche waschen, und hab auch einen Führerschein (wenn auch kein Auto). Ich hab aber dennoch oft das Gefühl, noch gar nicht bereit zu sein für dieses Erwachsenenleben. Hab oft das Gefühl, ich wär eigentlich noch 16 und irgendwer hätte mir die letzten neun Jahre gestohlen. So als wär ich an einem Tag noch 13 gewesen und am nächsten wach ich im Körper einer 25jährigen auf und irgendjemand sagt mir "du bist jetzt Erwachsen, komm klar damit". Ich mein, ich würd mich jetzt nicht als sonderlich unreif bezeichnen, Erwachsene die mich schon länger kennen, sagen sogar, dass ich als Kind schon sehr reif und gedanklich weit war für mein Alter (und mein Tagebuch das ich mit 12 geführt habe, bestätigt diesen Eindruck). Dennoch hab ich oft das Gefühl noch nicht bereit zu sein für dieses Erwachsenenleben und mag den Gedanken nicht dass ich (rein vom Alter her) Erwachsen bin (ja, manchmal überfordert mich der Gedanke auch ein bisschen).
    Was mich auch an dieser ganzen Erwachsenenwelt stört, ist, dass ich sie als sehr desillusionierend empfinde. In den letzten Jahren habe ich oft mehr Realität gesehen als mir lieb war. Das sind so Sachen wie z.B. dass ich lange Zeit dachte, in Deutschland gebs so gut wie kein Rassismus und dann feststellen musste dass die Realität doch eine ganz andere ist. Oder auch durch meine Beschäftigung mit dem Feminismus und der Freundschaft zu Betroffenen musste ich feststellen, dass meine frühere Vorstellung "wenn jemand vergewaltigt wird, bekommt sie von allen Seiten Unterstützung und Solidarität" sehr an der Realität vorbei geht. Auch durch meine Psychiatrieaufenthalte (vorallem auf der Suchtstation) hab ich sehr viel mehr Realität mitbekommen, als mir eigentlich lieb wär (wenn man über 12 Stunden am Tag unter lauter Heroinabhängigen verbringt, bekommt man zwangsläufig einen Einblick in eine ganz andere Realität. Wobei das nicht die einzigen krassen Storys waren, die ich mitbekommen habe). Ich hab in den letzten paar Jahren so viel Ungerechtigkeit, so viele Schicksale und so viele Sachen mitbekommen, wo man eigentlich denkt "sowas kann es doch nicht wirklich geben, das ist jetzt ein Film, das ist nicht wirkich passiert", das desillusioniert einen extrem. Wenn man nicht gerade eine total zerrüterte Kindheit hatte, sieht man diese harte Realität als Kind einfach nicht. Und an den Punkt möchte ich gerne zurück, ich würde gerne so vieles ungesehen machen. Gut, will mich jetzt auch nicht total jammerig anhören, gibt scherlich viele Menschen, die viel krasseres in ihrem Leben erlebt haben, als ich. Dennoch schon allein das was ich mitbekommen habe (seis durch eigene Erfahrungen oder Erzählungen anderer) reicht mir irgendwie schon. Desillusionierung sucks.

    Ich kann das schon nachvollziehen, dass einen die vielen Entscheidungsmöglichkeiten überfordern können. Sarah Kuttner hat glaub ich auch mal in irgendeinem Interview oder so irgendwas in die Richtung gesagt, dass einem heutzutage vom Umfeld und der Gesellschaft ständig suggeriert wird, dass man sich und sein Leben noch weiter optiminieren müsste. Es wird einem eingeredet, ständig alles in Frage zu stellen, und zu denken "könnte ich nicht noch mehr aus meinem Leben machen?". Dieser ständige Optimierungsdruck ist Teil der Leistungsgesellschaft. Nichts ist gut genug, es gibt ja noch so viele tausend andere Jobmöglichkeiten, so viele tausend andere potentielle Partner, ist das was ich habe wirklich gut und ausreichend, oder ginge da noch mehr?
    Gut ich weiß nicht, ob ich schon an dem Punkt bin so viel zu zweifeln, weil ich noch keine Stabilitäten in meinem Leben habe, die ich anzweifeln könnte: Ich habe noch keine abgeschlossene Ausbildung, keinen festen Job, und keinen Partner. Wobei was mein Studium betrifft, kenn ich schon auch die Momente des Zweifelns.
    Prinzipiell stimm ich dir ja schon zu, dass es auch wichtig ist, dass wertzuschätzen was man hat. Aber ich kann auch verstehen, wieso einigen Menschen aufgrund des gesellschaftlichen Drucks, das schwer fällt.

    Dein letzter Satz stößt mir ein bisschen sauer auf: Niemand möchte eine Krise haben, Krisen sind scheiße. Niemand entscheidet sich freiwillig dafür, dass es ihm scheiße geht.

    ---

    EDIT: Andreas Post war noch nicht da, als ich anfing zu schreiben. Deswegen hab ich mich jetzt nur auf Kristins Post bezogen.
    Geändert von Malibun (10.08.2014 um 19:12 Uhr)

  4. #4
    Malibun
    Gast / Ehemaliges Mitglied

    Standard AW: Vom Erwachsenwerden und von Lebenskrisen

    Nicht dass es wirklich wichtig wäre, aber ich wollt nur anmerken, dass ich nicht wegen einer Sucht auf der Suchtstation war. Nicht, dass man sich dafür schämen bräuchte, Sucht ist auch eine Erkrankung. Aber in meinem Fall ist meine einzige Sucht Zigaretten, und ich war nur da, weil da halt ein Bett frei war.

  5. #5
    Mitglied im Juli-Fanclub Avatar von Sk8er_Girl
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    Standard AW: Vom Erwachsenwerden und von Lebenskrisen

    Danke, Mali, das war eine Antwort, die ich ungefähr so erwartet habe (egal, ob du nun der Meinung bist, dass es schwer ist oder nicht, erwachsen zu sein/ zu werden). Was du zu Sarah Kuttner sagst, passt auch gut zu dem, was im Buch steht.
    Also ich will jetz nich sagen, dass es das tollste Buch der Welt ist, aber man kann es mal lesen. Ich konnte halt zunehmend die Hauptperson weniger verstehen, aber das heißt ja nun nicht, dass das Buch selber schlecht ist, sondern man kann sich eben damit auseinandersetzen.

    @Andrea: Hm, ja. Wie gesagt, dieses Buch war eben für mich der Anreiz, darüber mal näher nachzudenken. Und in dem Buch sind es eben "Luxusprobleme", Probleme von Leuten, die alle Voraussetzungen haben und sich doch nicht so richtig festlegen können und wollen, ganz ohne Depression und Behinderung. So wie Mali es schon schrieb, man bekommt das Gefühl, sein Leben immer mehr optimieren zu müssen, man sieht meist nur das, was noch fehlt und nicht, was man schon hat. Man bekommt vielleicht auch so viele Anreize von außen, dass man selber nicht mehr so recht weiß, wo einem der Kopf steht.

    Es tut mir Leid, dass ich nicht ständig daran denke, dass andere zum Beispiel Depressionen haben. Das ist hier eigentlich für mich das Forum der Band JULI, in dem man eigentlich auch immer ganz gut über andre Dinge diskutieren konnte, quasi unbelastet und offen.
    So, wie du mir vorwirfst, dass ich nicht nach links und rechts blicke und hochnäsig bin, so könnte ich auch sagen, dass du nur deine bestimmten Themen hast. Das ist auch völlig in Ordnung, aber wie gesagt, man wird doch mal ein Thema diskutieren können, ohne dass es gleich diese "Schwere" annimmt.
    Die allermeisten hier sind so grob um die 25, natürlich mit einer gewissen Spannbreite nach oben und unten, und wir haben ja gerade erst die letzten Jahre mal gemeinsam rekapituliert.
    Vor 20 oder 30 Jahren hätten wir bestimmt festgestellt, dass viele von uns in dem Alter schon nen festen Job haben oder gar schon Kinder haben und verheiratet sind. Heute hat sich einfach alles nach hinten verschoben und ist offener geworden. Das ist erstmal nur eine Feststellung, daran ist erstmal nichts Schlechtes. Es fragt sich ja nur, wieso das so ist und inwiefern das heute schon Zeitgeist geworden ist, sich nie zu entscheiden und sich zu binden. Natürlich gehen mit unserer unsteten Welt auch Phänomene wie Burnout einher (zB durch veränderte Anforderungen in der Arbeitswelt, ständiges Erreichbarsein, die Schnelllebigkeit usw.). und natürlich lässt sich das nicht trennscharf abgrenzen von ernsthaften psychischen Erkrankungen wie Depressionen, das weiß ich auch (bzw gibt es ja über Burnout auch Kontroversen, gehört aber nicht hierher).
    Von daher tut es mir Leid, wenn du den Satz, dass man "gerne" Krisen durchlebt, als Affront aufgefasst hast.
    Mir ging es aber wie gesagt um diese seit einiger Zeit herrschende Attitüde, dass man doch noch alle Zeit der Welt hat, alle Möglichkeiten und sich nicht sobald für irgendwas entscheiden muss*. Vielleicht hätte ich besser schreiben sollen "dass man es sich selber so kompliziert macht", aber das wäre für deinen Blickwinkel wohl auch nicht besser gewesen.
    Wie gesagt: ich habe eben "normale" Krisen gemeint, Sinnkrisen, eben das, was man unter Quarterlife-Crisis usw. versteht, wo man vor Entscheidungen steht und sein Leben gestalten muss/ soll (Kinder, Hauskauf, Heiraten, ......das ganze spießige Zeug halt ).

    Auch eine Behinderung steht für mich nicht in dieser Reihe, weil man mit einer solchen ja mit hoher Wahrscheinlichkeit schon von vornherein vor ganz andre Schwierigkeiten gestellt ist als Nichtbehinderte. Das sind völlig andre Dinge, um die es hier im Thread gar nicht gehen soll (also nicht explizit).

    *wenn ich zum Beispiel mich nochmal aufs Buch beziehe: erst machen die beiden einen riesen Terz ums Zusammenziehen, also machen ne größere Sache daraus, als es wohl für gewöhnlich ist, dann erträgt sie seine Nähe nicht mehr, schmeißt ihn raus und als sie nach zwei Wochen merkt, dass sie ihn doch will, will er nicht mehr und sie schmollt. Also das typische "Ich will immer das, was ich nicht haben kann grad".
    Ich liebe dieses Leben.

  6. #6
    Malibun
    Gast / Ehemaliges Mitglied

    Standard AW: Vom Erwachsenwerden und von Lebenskrisen

    Naja aber du kannst auch nicht komplett ausblenden, dass jeder mit seinen eigenen Erfahrungen hier her kommt. Wenn du eine komplett "unbelastete" Diskussion willst, dann müsstest du am Anfang einen Disclaimer setzen: "Ab hier bitte nur diejenigen weiterlesen und posten, die noch keine schlimmeren Lebenskrisen hatte", aber ich geh mal davon aus, das willst du auch nicht .
    Ich kann Andreas Ärger schon nachvollziehen, es ist immer schwierig wenn Menschen von außen über die Krisen anderer Menschen urteilen. Und wie schon in meinem Post geschrieben, möchte niemand eine Krise haben (egal ob ne kleinere oder größere Krise). Krisen sind immer blöd, da hat keiner Lust drauf. Von daher würd ich schon sagen, dass deine Formulierung da etwas ungünstig gewählt war.
    Wobei ich mir schon gedacht hab, dass du dich da nicht auf Krankheiten wie Depressionen oder Behinderungen bezogen hast, sondern eher auf etwas "harmlosere" Krisen.
    Wobei ichs (ohne das Buch gelesen zu haben, und ich bezieh mich auch nicht auf die Akteure da) immer schwierig finde als Außenstehender die Probleme anderer Menschen als Luxusprobleme abzustempeln, oder zu sagen, dass sie gerne Krisen haben möchten. Klar hatte ich auch schon Situationen in meinem Leben, wo es mir schwer fiel nachzuvollziehen wieso eine Sache für einen anderen Menschen jetzt so ein großes Problem darstellt. Generell finde ich aber, dass man von außen nie komplett nachvollziehen kann, wie sich was für den anderen Menschen anfühlt. Jeder ist geprägt durch seine Erziehung und Erfahrungen und die fließen mit rein in die Beurteilungen von Problemen. Ich kann nicht wissen was Max Mustermann alles mit Problem xy noch assoziert oder was das bei ihm noch alles auslöst. Daher kann ich auch nicht beurteilen, ob das Problem für ihn schlimm ist oder nicht.
    Abgesehen davon, auch wenn du das nicht machst, muss man sich auch als Depressiver durchaus mal anhören, dass man Luxusprobleme habe oder gerne eine Krisen haben möchte, daher kann ich schon verstehen, wenn jemand wie Andrea auf so Worte allergisch reagiert.

  7. #7
    Mitglied im Juli-Fanclub Avatar von Sk8er_Girl
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    Standard AW: Vom Erwachsenwerden und von Lebenskrisen

    Zitat Zitat von Malibun Beitrag anzeigen
    Naja aber du kannst auch nicht komplett ausblenden, dass jeder mit seinen eigenen Erfahrungen hier her kommt. Wenn du eine komplett "unbelastete" Diskussion willst, dann müsstest du am Anfang einen Disclaimer setzen: "Ab hier bitte nur diejenigen weiterlesen und posten, die noch keine schlimmeren Lebenskrisen hatte", aber ich geh mal davon aus, das willst du auch nicht .
    Selbstverständlich sollen hier Leute mit verschiedensten Hintergründen und Lebensentwürfen etc. was dazu sagen, das meine ich doch nicht mit "unbelastet". Aber hier geht es, wie der Titel schon sagt, ums Erwachsenwerden und um Sinnkrisen und nicht um Depressionen, auch wenn das natürlich mit reinspielen kann, aber ich möchte eben auch mal über was vergleichsweise "Harmloses" sprechen können und nicht zB alles auf Depressionen beziehen.


    Und natürlich (um sich nochmal auf die fiktive Person zu beziehen) erkenne ich an, dass es der Hauptdarstellerin in dem Buch schlecht geht, die Frage ist ja eben nur, wieso? Ich ziele ja die ganze Zeit schon darauf ab, ob/ dass es gesellschaftliche Ursachen hat und über die will ich eigentlich reden. Ich verlange hier sicherlich von niemandem eine Erklärung, wieso er mit Mitte 20, Anfang 30 nicht verheiratet ist oder keine Kinder hat (wie ich ja auch anfangs schrieb, man muss das gar nicht zwingend persönlich auf sich beziehen).

    Das kam bei Andrea so rüber, als sei mein Leben perfekt (oder zumindest: ganz nach den Erwartungen der Gesellschaft), aber das ist es ja nun mal nicht (also im Sinne von, dass perfekt wirklich was ziemlich schwer Erreichbares ist, was nicht heißt, dass ich es bisher totaal schlecht finde). Vor 20, 30 Jahren wär mein Leben wohl anders verlaufen, selbst wenn ich mich nicht zu denjenigen zähle, die Entscheidungen und "Sicherheiten" völlig scheuen. Und dieses "Phänomen" hat nichts mit Depressionen zu tun.
    Geändert von Sk8er_Girl (10.08.2014 um 22:29 Uhr)
    Ich liebe dieses Leben.

  8. #8
    Malibun
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    Standard AW: Vom Erwachsenwerden und von Lebenskrisen

    Zitat Zitat von Sk8er_Girl Beitrag anzeigen
    Zitat Zitat von Malibun Beitrag anzeigen
    Naja aber du kannst auch nicht komplett ausblenden, dass jeder mit seinen eigenen Erfahrungen hier her kommt. Wenn du eine komplett "unbelastete" Diskussion willst, dann müsstest du am Anfang einen Disclaimer setzen: "Ab hier bitte nur diejenigen weiterlesen und posten, die noch keine schlimmeren Lebenskrisen hatte", aber ich geh mal davon aus, das willst du auch nicht .
    Selbstverständlich sollen hier Leute mit verschiedensten Hintergründen und Lebensentwürfen etc. was dazu sagen, das meine ich doch nicht mit "unbelastet". Aber hier geht es, wie der Titel schon sagt, ums Erwachsenwerden und um Sinnkrisen und nicht um Depressionen, auch wenn das natürlich mit reinspielen kann, aber ich möchte eben auch mal über was vergleichsweise "Harmloses" sprechen können und nicht zB alles auf Depressionen beziehen.
    Na das hört sich ja so an als würden wir ständig über Depressionen reden. Soweit ich weiß, tun wir das nur im Depressions-, im Suizid- und im Enkethread.
    Im übrigen steht in deinem Titel "Lebenskrisen", und das assoziert ein Depressiver schon erstmal mit der Depression.


    Und natürlich (um sich nochmal auf die fiktive Person zu beziehen) erkenne ich an, dass es der Hauptdarstellerin in dem Buch schlecht geht, die Frage ist ja eben nur, wieso?
    So wie dus formuliert hast, wars aber keine neutrale Suche nach dem wieso, sondern eher eine Wertung/Verurteilung.


    Kannst du nicht sehen, wieso man Formulierungen wie, dass jemand eine Krise haben möchte, als schwierig empfinden könnte? (Jetzt ganz unabhängig davon, ob jemand Depressionen hat oder nicht).

  9. #9
    Mitglied im Juli-Fanclub Avatar von Sk8er_Girl
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    Standard AW: Vom Erwachsenwerden und von Lebenskrisen

    Na das hört sich ja so an als würden wir ständig über Depressionen reden. Soweit ich weiß, tun wir das nur im Depressions-, im Suizid- und im Enkethread.
    Im übrigen steht in deinem Titel "Lebenskrisen", und das assoziert ein Depressiver schon erstmal mit der Depression.
    Naja, es geht schon auch oft in der Lounge um das Thema...(zB "was denkt ihr gerade, ...").
    Und ja, ein Depressiver mag bei "Lebenskrise" an seine Depression denken, aber jemand, der es nicht ist, denkt dabei halt an was anderes, das ist doch völlig normal?
    Wenn ich im JULI-Forum jetzt sagen würde, wie sch.... doch JULI ist und dass klassische Musik echt mal das einzig wahre ist, dann wäre es wohl sehr ungeschickt und ungünstig, aber mich im JULI-Forum ständig vorm Posten fragen zu müssen, was Depressive jetzt wohl davon denken, ist mir zu anstrengend (wohl gesagt bei einem Thread, bei dem ich nicht im geringsten an Depressionen gedacht hab!). Wiederum würde ich so einen Thread sicher nicht in ein Forum für Depressive o.ä. stellen, auch klar.

    So wie dus formuliert hast, wars aber keine neutrale Suche nach dem wieso, sondern eher eine Wertung/Verurteilung.
    Jein...also wenn ich es verurteilt habe, dann habe ich ein stückweit auch mich verurteilt.
    Gewertet hab ich den Zeitgeist, der herrscht, nicht die einzelnen Leute, die davon betroffen sind (und das ist ja beinahe jeder, der eine mehr, der andre weniger).

    Was die Krise angeht: ja bitte, dreh mir halt nen Strick draus, aber ich möchte eben nicht über jede klitzekleine Formulierung tausend Mal darüber nachdenken und an ihr feilen. Ich rede doch um Himmels Willen nicht von Todesfällen, Arbeitslosigkeit, Hausbränden, ...., sondern davon, wie man sich selbst das Leben verkompliziert (und offen hält), wenn man vor einer Wahl steht.
    Und du willst mir doch wohl nicht erzählen, dass der Begriff "Midlife-Crisis", den es schon lang gibt, eine allzu negative Konnotation hat ...für manche (!!!!) ist es doch eher hip, nochmal alles umzuschmeißen und sich alle Freiheiten offen zu halten.
    Ich liebe dieses Leben.

  10. #10
    Malibun
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    Standard AW: Vom Erwachsenwerden und von Lebenskrisen

    Wir reden dir also zu oft über Depressionen? Das tut mir aber leid, werde absofort nur noch über Sonneblumen und Regenbögen schreiben.
    (Abgesehen davon, dass ich das gar nicht so empfinden, als wär das so oft Thema, aber gut.)

    Wenn du von "Lebenskrisen" schreibst, aber nicht willst dass man über Depressionen redet, dann solltest du dazu schreiben, dass du nich so eine Art von Lebenskrisen meinst. Ansonsten ist es doch nur normal, dass man mit dem Begriff auch Depressionen verbindet.

    Wenn du vorher nicht über deine Formulierungen nachdenken willst, wie wärs dann mit danach?


    Zitat Zitat von Wikipedia
    Eine psychische Krise (ungenauer auch „psychologische Krise“) oder eine Krisensituation ist für die Psychotherapie, Klinische Psychologie und Psychiatrie wie überhaupt im gesamten psychosozialen Bereich ein durch ein überraschendes Ereignis oder akutes Geschehen hervorgerufener schmerzhafter seelischer Zustand oder Konflikt innerhalb einer Person (innerpsychische Krise) oder zwischen mehreren beteiligten Personen. Er entsteht, wenn sich eine Person oder eine Gruppe Hindernissen auf dem Weg zur Erreichung wichtiger Lebensziele oder bei der Alltagsbewältigung gegenübersieht und diese nicht mit den gewohnten Problemlösungsmethoden bewältigen kann.

    Eine Krise in diesem Sinne äußert sich als plötzliche oder fortschreitende Verengung der Wahrnehmung, der Wertesysteme sowie der Handlungs- und Problemlösungsfähigkeiten. Eine Krise stellt bisherige Erfahrungen, Normen, Ziele und Werte in Frage und hat oft für die Person einen bedrohlichen Charakter.
    Hört sich nach etwas an, was man haben möchte.

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