Dieser Artikel ist heute in der Viva-Bams (Innenteil der Bild am Sonntag) drin:
Juli
Kreisch! Brüll! Dieses Treffen war der letzte Schrei!
Von NIKLAS STARNITZKY
Die Sonne scheint vom Himmel, es ist angenehm warm. Hinter der Open-Air-Bühne beim Festival in Karlsruhe stehen vier weiße Partyzelte. In einem dieser Zelte soll es stattfinden: unser Date mit Juli, neben Silbermond die derzeit angesagteste Newcomer-Band (Mitte August erscheint ihre vierte Single „Warum“). Es wurde das lauteste Interview, das jemals ein VIVA-BamS-Reporter geführt hat!
Denn bei dem Treffen mit Frontfrau Eva (26), Simon (23), Marcel (23), Jonas (24) und Andreas (22) befinden wir uns nur 50 Meter von der Bühne entfernt, auf der gerade eine Band spielt. Es ist ohrenbetäubend laut. Macht nichts – schreien wir uns im Interview halt gegenseitig an!
Wenn man ihre Texte hört, brülle ich, könnte man auf die Idee kommen, hier säßen schwermütige junge Menschen, die eine unglückliche Kindheit hinter sich haben.
„Falsch“, schreit Andreas. „Wir sind alle Kinder des Mittelstands, keiner hat ‚ne schlimme Kindheit gehabt. Wir sind ein bisschen auf der Teenie-Melancholie hängengeblieben, die man hat, wenn man so 14 oder 15 ist.“ Und Eva, so laut sie kann: „Das war bei uns fast schon chic, immer ein wenig depressiv durch die Gegend zu laufen.“
Dazu haben sie jetzt keinen Grund mehr. Ihr Album „Es ist Juli“ war 27 Wochen in den Top 10 und befindet sich mittlerweile seit satten 44 Wochen in den Charts. „Vor einem Jahr spielten wir noch als Vorband auf Stadtfesten und wurden kaum wahrgenommen“, schreit Simon. „Jetzt sind wir kaum noch zu Hause. Irre!“ Marcel legt nach, brüllt: „Das geilste ist eigentlich, dass wir alle gerade zum erstem Mal in unserem Leben einen richtigen Job haben – einen, bei dem Kohle reinkommt und der saucool ist. Tausendmal cooler als ein Bürojob!“
In diesem Moment beendet die Band auf der Bühne ihren Auftritt – Marcels letzte Worte schallen über den ganzen Platz ... Aber jetzt ist es angenehm still, und die Verständigung fällt viel leichter.
Sprechen wir also im Normalton über die Schattenseiten des Erfolgs. Eva: „Es ist manchmal brutal anstrengend. Tourbus zum Beispiel ist nix gemütlich, nix kuschelig. Da ist auch morgens nicht der duftende Kaffee fertig, wenn dich dein Kollege nett weckt. In Wahrheit wachst du auf, und es stinkt, weil alle ihre nassen Klamotten vom Vortag aufgehängt haben; die einen sind wach, die anderen pennen; ein Dritter guckt Rammstein-Videos um wach zu werden. Alles nicht so besonders romantisch...“
Gerade will ich fragen, was ihre Meinung zu der sogenannten Neuen Deutschen Welle ist – da beginnt direkt vor dem Zelt ein Saxophonspieler, sich für seinen Auftritt warm zu spielen. Also müssen alle wieder schreien – zumal wenig später die nächste Band auf der Bühne spielt. Eva: „Von diesem ganzen Deutsch-Hype haben wir natürlich profitiert. Ob man sich drüber aufregt oder es toll findet – letztlich sind doch alle glücklich, dass der Trend überhaupt da ist.“ Simon schreit dazwischen. „Das wird sich sicherlich irgendwann wieder zurechtschrumpfen. Musik wird immer durch Trends bestimmt, die die Leute irgendwann auch wieder satt haben ...“ Kurze Pause zum Luftholen – dann schreit er weiter: „Qualitativ gute Musik hält sich länger. Deshalb scheren wir uns nicht um Trends. Bands wie die Fantastischen Vier, die was eigenes haben, die stechen heraus und bleiben. Und wir hoffentlich auch:“
Und was sagen denn eure Familien zum Erfolg? frage ich schreiend. Marcel, mit vor Anstrengung rotem Kopf: „Inzwischen haben sie es geschluckt.“ Kommen die Eltern auch zu den Konzerten? Jonas brüllt: „Klar, von Anfang an! Zum Glück stehen sie aber nicht in der ersten Reihe. Das ersparen sie uns.“ Anders bei Marcel: „Mein Vater erspart mir das leider nicht. Der steht immer in der ersten Reihe.“
Am 15. August erscheint ihre nächste Single – „Warum“. Haben sie sich den Start in den Erfolg eigentlich so leicht vorgestellt? „Ach Quatsch!“, schreit Jonas, „es war anfangs schon schwer, da waren wir tierisch verkrampft und haben nur darauf geachtet, wie wir rüberkommen. Wir wollten alles kontrollieren. Total beknackt. Wir sind, wer wir sind, deshalb ist es uns mittlerweile auch Wurscht, wie wir rüberkommen.“
Jetzt schreie ich mal Eva an: Wie ist es so für eine Frau allein unter Kerlen? Eva kreischt zurück: „Machmal voll anstrengend. Ich bin zuweilen total erleichtert, wenn wir andere Bands treffen, und die haben ‘ne Sängerin. Dann denke ich: Oh geil, endlich mal wieder mit ‘nem Mädchen zu labern.“
Was sind die nächsten Pläne, haben sie es überhaupt noch nötig zu arbeiten?
Jonas schreit mir direkt ins Ohr: „Na klar! Manchmal kann ich echt nicht schlafen, wenn ich dran denke, was später wird. Das Geld, das wir jetzt verdienen, reicht ja nicht für ein ganzes Leben.“
Eva hat es da gut – sie hat einen Alternativplan, sollte die Karriere morgen zu Ende sein, wie sie lautstark mitteilt. Sie möchte etwas ganz Entspanntes machen, meint sie – und brüllt auf Nachfrage: „Vielleicht auf einem Öko-Bauernhof, ganz weit weg, mit vielen Tieren und Körbeflechten.“ Wie bitte? „Ja“, schreit sie, „irgendwo, wo es gaaanz ruhig ist!“