Zitat von
Judith Holofernes
Denn dieser Rücktritt bedeutet für mich nichts weniger, als dass ich den Karriere-Aspekt des Judith Holofernes-Seins komplett aufgeben möchte. Den Anspruch auf eine geschlossene, stringente und vor Allem irgendwie dauerhaft im Pop-Kontext stattfindende Karriere. Basta, aus, vorbei. „Hast du das nicht eh schon längst gemacht gehabt?“ mögen weniger nachlässige Beobachter denken, und auf die 1.40 Minuten langen Instrumental-Outros meiner jüngeren Songs verweisen.
Aber: nein. Ich habe mich höflich, viel zu höflich, und zaghaft, viel zu zaghaft in die richtige Richtung bewegt, die Richtung des völligen Draufscheißens. Aber ich habe, unterm Strich, noch viel zu viele Kompromisse gemacht. Nicht, und das tröstet mich – und euch vielleicht auch – da wo es zählt: in der Musik. Aber im Leben, und das ist eigentlich noch viel peinlicher. Ich habe nicht auf diese Stimme gehört, die mir von Anfang an gesagt hat, dass ich weiter raus muss aus allem, was vorher war, weiter rausschwimmen, freier freistrampeln.
Diese Inkonsequenz hat viele Gründe, und einige davon haben mit Schwächen von mir zu tun, andere mit fehlgeleiteten oder unausgegorenen Stärken: Selbstschutz, Angst, Eitelkeit, Ehrgeiz, Höflichkeit, Loyalität, Anhänglichkeit, Freundlichkeit, Pflichtgefühl. Das alles gemixt mit einer Zutat, die ich „pathologische Tapferkeit“ nennen möchte, et voilà: ein infernalischer Cocktail, der mir viel, viel Ärger gemacht hat.
Und deshalb ist dieser Rücktritt überfällig! Das ist es, was ich 2012 wollte, als wir mit den Helden aufgehört haben: ein Rücktritt, eine Absage, ein seliges, erleichtertes Aufgeben. Ich wollte das nicht mehr machen, und ich wollte es nicht mehr sein. Und dann habe ich es doch irgendwie wieder gemacht. Ich hab es verdreht, und gedehnt, und unterlaufen, und das Unmögliche versucht: eine Familie zu haben und nebenher Rockstar in 70%-Stelle zu sein. Überraschung: es funktioniert nicht.
Und so gebe ich jetzt auf, aus ganzem Herzen, und mit Begeisterung. Ich gebe es auf, von der Musik zu leben, zumindest auf den klassischen Wegen. Ich gebe es auf, mein Ego zu schützen, ich gebe es auf, ein stimmiges Bild abzugeben. Ich werde nichts mehr behaupten, weder mich, noch irgendeine Form von Erfolg.